Dinge, mit denen man konfrontiert ist, als Mutter einer Tochter mit Behinderung. Ich schreibe hier über Alltagssituationen, Denk- und Lebensmuster unserer Gesellschaft, die zum Nachdenken, Überdenken und Verändern anregen sollen:


 

Was mich als Mutter berührte und verletzte:

Meine Tochter hat Beeinträchtigungen aber nichts desto trotz kann sie lesen, rechnen und viele andere Dinge mehr. Als sie nun zu Schulschluss das Zeugnis erhielt, steht auf dem Zeugnis folgender Wortlaut aufgedruckt: „Schülerin der Klasse 1a, Sonderschule für mehrfach/schwerst behinderte Kinder“. Macht freute solch ein Zeugnis zu erhalten, nicht wahr? Sie wird außerdem in unserer Gesellschaft „Behinderte“ genannt und besitzt einen „Behindertenpass“, bekommen entsprechende Zeugnisse ausgestellt, und und und. Aber wo bleibt da der Mensch? Der Mensch der eigentlich nur eine Beeinträchtigung hat, egal welcher Art auch immer. Er wird dadurch abgestempelt und zu einer Randgruppe abgeschoben. Wie würde es den klingen als „Mensch mit Behinderung / Beeinträchtigung“ genannt zu werden und einen „Pass für Menschen mit Behinderung / Beeinträchtigung“ zu besitzen, wo noch der Mensch im Vordergrund steht.

 

Ich möchte damit auf eine Thematik aufmerksam machen, die mir schon lange am Herzen liegt. In unserer Gesellschaft wird jahrelang über zweisprachige Ortstafeln diskutiert, verhandelt, gerichtlich entschieden, … Es gibt und gab zahlreiche Diskusionen und Beschlüsse was man statt dem abwertendem Wort Neger nun sagen könne und man hat sich geeinigt sie „Schwarze“ zu nennen. Hat diese Bevölkerungsgruppe irgendjemand befragt, wie sie sich eigentlich selbst nennen, aber das war wohl nicht so wichtig, denn es ging ja „nur“ um Menschen der „3. Welt“. Wissen wir überhaupt, was wir damit sagen? Ist dies überhaupt jemandem bewusst? Wo überall, in unserem Sprachgebrauch, verwenden wir denn die Bezeichnung 3. ____ und wofür steht es? Wir kennen die Bezeichnung Flug 1. Klasse, 2. Klasse 3. Klasse, Reisen per Bahn 1., 2. oder 3. Klasse, in Krankenhäusern Patienten 1. Klasse, 2. Klasse, 3. Klasse und wir kennen Menschen, die in der sogenannten 1. Welt (=wohlhabend = wertvoll) und Menschen, die in der 3. Welt (=arm = wertlos) leben.

All diese Menschen, über die ich jetzt schrieb (und man könnte noch unzählige nennen), haben eines gemeinsam, sie gehörten zu den Randgruppen der Gesellschaft, zu denen, die Keiner fragt, die keine Gesetze schreiben, … , die einfach in unserer Gesellschaft weniger wert sind.

 

Das ist die aktuelle Thematik, mit der ich mich gerade herumschlage. Ich möchte in diesem Bericht aber auch über Vorkommnisse schreiben, die uns die letzten 3 Jahre, begleitet oder besser gesagt beschäftigt haben:

Die Diagnose unserer Tochter lautet Tetraparese (Spastizität in Armen und Beinen). Trotz dieses Handicaps konnte unsere Tochter mit Hilfe gehen und beantragten zur selbständigen Fortbewegung einen Rollator als Gehhilfe für sie. Der erste Rollator wurde von der OÖ GKK nach einmaliger Ablehnung – wir mussten noch ärztliche Atteste nachreichen – dann doch bewilligt. Nach 1 ½ Jahren wurde ihr diese Gehhilfe aufgrund des natürlichen Längenwachstums zu klein und wir suchten erneut um einen Rollator an. (Der alte Rollatur wurde vorschriftsmäßig an die OÖ GKK zurückgegeben.) Dieser wurde dann 3 x !!! abgelehnt und letztlich aber doch nach einem halben Jahr des Hinhaltens genehmigt. In weiterer Folge benötigte unsere Tochter Ortesen (Gehschienen) zur optimalen Korrektur ihres Gangbildes, um Folgekomplikationen, aufgrund einer Fehlstellung der Füsse beim Gehen, zu vermeiden. Die Kosten dieser Gehschienen betrugen EUR 5.000,--, wobei von der OÖ GKK nur EUR 2.000,-- als Obergrenze bezahlt werden. Es wurde uns mitgeteilt, man könne noch bei mehreren Stellen wie Bundessozialamt, Pensionsversicherung, Fond der OÖ GKK, Land OÖ ,… um finanzielle Unterstützung ansuchen. Was wir schließlich auch machten. Es waren dazu „lediglich“ pro Ansuchen mehrere Seiten an Anträgen auszufüllen, des weiteren diverse Unterlagen und Bescheide über Einkommensnachweise, Kredite, Besitzungen, … und und und anzuführen, was den „kurzen“ Zeitaufwand von 20 Stunden nach sich zog. Nichts desto Trotz nahmen wir die Strapazen auf uns in der Hoffnung EUR 3000,-- (was ja schließlich keine Kleinigkeit ist) auf diese Weise bezahlt zu bekommen. Schließlich erhielten wir aus all diesen Ansuchen EUR 1.000,-- und „schlappe“ EUR 2.000,-- blieben bei uns hängen. Die Ortesen waren goldes Wert! Unsere Tochter kann nun ohne Rollator, mit einem optimal korrigiertem Gangbild, alleine gehen, was nicht nur zu einer optimalen körperlichen Selbständigkeit führte, sondern sie natürlich auch in ihrem Selbstwertgefühl enorm wachsen ließ.

Was aber wiederum ich an der ganzen Sache nicht verstehen kann und will ist, warum wird ein Mensch mit Behinderung durch finanzielle Hürden und Erschwernisse behindert, überhaupt an solche Hilfen zu gelangen? Und warum wird in solche Hilfen nicht investiert, wenn diese doch letztlich sogar zu einer enormen finanziellen Entlastung der Kassen beitragen, wenn man an die weitere Versorgung denken würde z. B. Rollstühle, Pflegebetten, Pflegepersonal und diverse andere Hilfsmittel, die nötig sind, wenn ein Mensch nicht selbständiges Gehen lernt. Ganz davon abgesehen was dies mit der Psyche des Betroffenen macht!?

 

Ich für meine Person habe gerne diese EUR 2.000,-- für meine Tochter investiert, weil sie es mir wert und wichtig war! Für mich bleibt da aber wieder die Frage der Gleichberechtigung der Menschen offen oder sind in dieser leistungsorientierten Gesellschaft diese Menschen weniger wert? So wie oftmals Frauen weniger verdienen als Männer für die gleiche geleistete Arbeit, steht da etwa Menschen die womöglich im Laufe ihres Lebens weniger oder keinen finanziellen Beitrag für diese Gesellschaft leisten können auch weniger zu oder sind sie dadurch weniger wert?

 

Ich, als Mutter einer herzlichen, lustigen, lebensfrohen und liebenswerten Tochter, die eine Beeinträchtigung hat, kann nur folgendes berichten, dass mir genau dieser Mensch dazu verholfen hat, die wahren Werte des Lebens wieder zu erkennen und mir sichtbar und fühlbar macht, worauf es im Leben eigentlich wirklich ankommt und was eigentlich wirklich wichtig ist. Sie hat mich durch ihr Sein von Herzen berührt und mich von der Außenorientierung unserer Konsum- und Leistungsgesellschaft zu mir selbst zurückgeführt. Zu einem Leben, wo ich mit Menschen wieder von Herz zu Herz kommunizieren kann, auf gleicher Augenhöhe.

 

Meine Frage die sich hierzu wieder stellt ist folgende:

Sind es nicht die alten, behindernden Strukturen, Denk- und Lebensweisen, die uns diese besonderen Kinder/Menschen aufzeigen und spiegeln, die es aufzulösen und zu verändern gilt?

Es sind jene Menschen, die die Werte der Gesellschaft auf ihre Art und Weise wieder ins rechte Licht zu rücken versuchen. Sind sie dann auch wirklich weniger wert, so wie alle Randgruppen unserer Gesellschaft?

 

 

 

                                                                             Manuela Illumahelia Gruber, 08.07.2012

Manuela Gruber

Bewusstseins- und Energiearbeit

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